Die Rechnungen für Strom, Heizkosten oder auch Benzin erinnern uns daran, dass wir viel Energie verbrauchen. Aber sie sagen nicht alles über unseren Energieverbrauch aus, denn es gibt eine Form von Energie, die nie direkt auf der Rechnung erscheint: die graue Energie. Es handelt sich dabei um Energie, die in die Produkte investiert werden muss, bevor wir diese kaufen können. Dazu zählt z.B. die Energie, die zur Gewinnung der Rohstoffe für die Herstellung der Produkte eingesetzt werden muss, dann auch die Energie, die zum Transport (auf Strassen, über Wasser oder in der Luft) und auch zum Lagern der Produkte benötigt wird, und nicht zuletzt braucht es auch Energie, um die Produkte zu verkaufen. Und was leicht vergessen wird, aber nicht unbeachtet bleiben sollte, ist, dass noch einmal Energie in die Produkte investiert werden muss, wenn sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Dann muss man sie nämlich mit Energie recyceln, fachgerecht entsorgen oder zusammen mit den Abfällen die Kehrichtverbrennungsanlage fahren. In der Schweiz muss daher für jeden Franken, der für den Kauf eines Produktes verwendet wird, im Durchschnitt etwa 1,2 Kilowattstunden (kWh) graue Energie berechnet werden, und zwar unabhängig davon, ob das Produkt im Inland oder im Ausland hergestellt wurde. Diese Energiemenge entspricht einem kleinen Glas Erdöl oder der Menge von elektrischem Strom, die in etwa für einen Spülgang mit der Geschirrspülmaschine benötigt wird.
Vollständige Energiebilanz
Nicht alle Verbrauchsprodukte enthalten gleichviel graue Energie. Für die meisten elektronischen Apparate rechnet man im Durchschnitt dreimal mehr Energie als die Elektrizität, welche sie im Laufe ihrer Lebensdauer verbrauchen. Aus Sicht einer umfassenden Energiebilanz ist es deshalb sinnvoller, sie möglichst lange zu nutzen, anstatt sie aus kurzfristigen Stromspargründen zu ersetzen. Haushaltsgeräte hingegen verbrauchen im Laufe ihrer Lebensdauer ungefähr viermal so viel Energie wie zu ihrer Herstellung benötig wurde. Deshalb lohnt es sich, einen alten Kühlschrank durch einen neuen mit einer besseren Energieklasse (Klasse A auf der Energie-Etikette, entsprechend der Klasse A+++ auf der alten Skala) zu ersetzen, denn sein Stromverbrauch ist so sparsam, dass er in drei oder vier Jahren seine graue Energie "wettgemacht" hat.
Graue Energie und CO2
Graue Energie verbrauchen wäre an sich nicht problematisch, wenn daraus keine negativen Auswirkungen für die Umwelt entstünden. Leider ist der Energieverbrauch immer an Emissionen von Treibhausgas gebunden – insbesondere von Kohlendioxid (CO2), welches das Klima unseres Planeten durcheinander bringt. Das ist allen klar, wenn es um die Verbrennung von Brenn- und Treibstoffen fossilen Ursprungs geht. Aber diese Emissionen entstehen auch bei der Produktion von Strom aus Wasserkraftwerken und Atomkraftwerken, denn diese grossen Anlagen müssen zuerst gebaut und danach dauerhaft gewartet werden, und dann braucht es ja noch die Installationen und den Unterhalt der Stromverteilnetze – was ebenfalls mit Hilfe von fossilen Treib- und Brennstoffen geschieht. Deshalb kann man die in Komsumgüter investierte graue Energie in ein CO2-Aquivalent umrechnen – und dan wird es möglich, die Auswirkungen auf das Klima von so verschiedenen Produkten wie Erdbeeren, Baumaterial oder T-Shirts miteinander zu vergleichen. Hierfür dienen die Angaben von so und soviel "Gramm CO2", die immer häufiger auf den Etiketten vieler Alltagsgüter anzutreffen sind.
Kurz gesagt: ein Produkt enthält umso mehr CO2 aus grauer Energie, je mehr nicht erneuerbare Energie für seine Herstellung, seinen Transport, seine Lagerung, seine Verteilung und seine Entsorgung aufgewendet werden muss.
In der nationalen Bilanz zum Treibhausgasausstoss ist nicht die gesamte graue Energie enthalten
Vergleicht man die Auswirkungen der verschiedenen Nationen der Welt auf das Klima, wird der CO2-Äquivalent, der im jeweiligen Land direkt ausgestossen wird, nicht dazugerechnet. Anders gesagt: wenn ein Land Verbrauchsgüter importiert und konsumiert, wird der im Ausland anfallende hohe Anteil an grauer Energie nicht in der Bilanz des Importlandes berücksichtigt. Die CO2-Emissionen, die beispielsweise bei der Herstellung eines Smartphones entstehen, werden China zugerechnet, obwohl das Gerät in Europa benutzt wird. Und wie die meisten Länder der EU importiert auch die Schweiz viele Verbrauchsgüter, Nahrungsmittel und Erdölprodukte, deren graue Energie nicht in der Bilanz erscheint. Würden wir sie berücksichtigen, wäre der schädliche Einfluss unseres Landes auf das Klima rund 50% grösser.
Wie kann man graue Energie sparen?
Wir alle verstehen, wie wichtig es ist, weder Strom, noch Treibstoffe oder Heizenergie zu verschwenden. Und es ist ebenso wichtig, so wenig wie möglich von dieser grauen Energie zu verbrauchen, die allerdings weit weniger leicht zu erkennen ist. Natürlich kann man die Gramm CO2 auf den Produktetiketten vergleichen, aber es ist einfacher, einige wenige Prinzipien im Alltag zu befolgen:
- Lokale Produkte wählen, die aus natürlichen Materialien hergestellt wurden und eine gute Qualität auf weisen.
- Sorge tragen zu Apparaten und Geräten, damit sie länger halten und sie wenn möglich reparieren statt zu ersetzen, wenn sie defekt sind.
- Alltagsgegenstände aus- und verleihen: unkompliziert mit anderen Leuten teilen.
- Dinge, die man nicht mehr benötigt, kann man verschenken oder z.B. einem Wohltätigkeitsverein geben.
- Weniger Abfall produzieren, indem man Gegenstände recycelt, aber auch indem man Produkte meidet, die in zuviel unnötiges Verpackungsmaterial eingepackt sind.