Damit auf den Gebäudefassaden keine Schimmelpilze, Moose und Algen wachsen, enthalten nicht wenige der Farbanstriche und Verputze einen Cocktail an Bioziden – oder anders gesagt: chemische Substanzen, welche "Lebewesen töten", und dazu zählen auch Pestizide (Herbizide, Insektizide, Fungizide etc.). Sie sind in vielen Baumaterialien enthalten, die für Fassaden und Dächer bestimmt sind. In der Schweiz werden schätzungsweise bis zu 50 Tonnen Biozide pro Jahr in die Gebäudehüllen eingebracht. Unter der Einwirkung von Regen und Witterung werden diese Biozide jedoch in die Kanalisation geschwemmt und können von dort aus direkt in die Seen und Flüsse gelangen, falls es sich um eine "getrennte Kanalisation" handelt, also das Wasserentsorgungsnetz, welches Regen- und Drainagewasser von Strassen, Plätzen, Dächern und Böden rund um die Hausgärten aufnimmt, das nicht mit dem Abwasser aus Haushalten, Dolen etc. in eine Abwasserreinigungsanlage geleitet wird. Weniger als ein Drittel der Biozide, die eine Abwasserreinigungsanlage durchlaufen, wird eliminiert. Diese Biozide schaden nicht nur der Tier- und Pflanzenwelt, sondern Erhöhen auch die Belastung unserer Gewässer durch Mikroverunreinigungen.
Rechnet man die Menge aller Biozide und Pestizide zusammen, die aus den Städten (Gebäuden, Gärten, Haushalten, Unternehmen) in die Gewässer gelangen, entspricht diese Summe derjenigen der Pestizide, welche von der Landwirtschaft in die Natur eingebracht werden – oder liegt sogar noch darüber.
Ein Dachvorsprung schützt die Fassade... und die Gewässer!
Die Menge der Biozide, die von den auf die Fassaden auftreffenden Niederschlägen ausgewaschen werden, ist kurz nach Abschluss der Bauarbeiten sehr gross, denn dann sind diese Substanzen in viel stärkerer Konzentration in den Anstrichen, Verputzen, Lacken und anderen auf den Gebäuden aufgetragenen Produkten vorhanden. Das Problem wird durch die heutige Architektur verstärkt, da momentan Häuser ohne Dachvorsprünge bevorzugt werden, weshalb die Fassaden stärker dem Regen ausgesetzt sind – hauptsächlich die gegen Westen liegenden. Traditionell gebaute Gebäude haben ein Dach, das über die Seiten der Fassaden hinausragt, was den doppelten Vorteil besitzt, dass erstens die Sonne im Sommer nicht direkt auf die Fenster und Mauern "brennt", und dass zweitens die Fassaden nicht zu stark der Witterung ausgesetzt sind. Betrachtet man alte Gebäude etwas genauer, so stellt man fest, dass einige Stockwerke auch durch Etagengesimse voneinander geschieden sind, oder anders gesagt: horizontal entlang der Aussenwände sind zwischen den Etagen vordachartige Elemente, sogenannte Gesimse angebracht, die verhindern, dass das Regenwasser an der Fassade herunterrieselt.
Das Problem mit den Bioziden wird durch die verbesserte Aussendämmung der Fassaden zusätzlich akzentuiert, wenn das Dämmmaterial direkt von einem Putzanstrich überdeckt wird. Die Aussenseite einer auf diese Art gut wärmegedämmten Mauer ist viel kälter, und zwar so sehr, dass sie viel langsamer abtrocknet und sogar dazu neigt, feucht zu werden, wenn die Feuchtigkeit aus dem Gebäudeinnern auf ihr kondensiert (es sei denn, Isolation und Verputze oder Putzanstriche lassen den Wasserdampf durch). Feuchtigkeit begünstigt jedoch das Wachstum von Algen, Schimmelpilzen und anderen Moosen – und aus diesem Grund sind diese Produkte mit Bioziden versetzt.
Herbizide auf dem Dach
Bestimmte Biozide, die aus Farben und Anstrichen für Fassaden stammen, sind für Fische stark giftig, selbst in schwachen Dosen. Dies gilt zum Beispiel auch für die beiden Herbizide Terbutryn und Diuron (die auch im Rebbau verwendet werden), von welchen sporadisch starke Konzentrationen in Flüssen und Ausflüssen von Abwasserreinigungsanlagen (die nur einen Teil der Biozide abbauen können) gemessen werden. Diese Biozide sind längst nicht in jedem Fall notwendig, denn Schimmelpilze, Algen und Moose wachsen nicht auf allen Gebäudefassaden.
Desgleichen findet man diese Herbizide auch in den Bitumen-Schweissbahnen (ein mit Teer beschichteter Baustoff, ähnlich der Dachpappe), die zum Abdichten von Flachdächern verwendet werden, in Kombination mit anderen Substanzen, die besser nicht in unsere Gewässer gelangen sollten wie zum Beispiel Mecoprop (siehe rechts). Solche Substanzen sind zweckmässig auf begrünten Dächern, wo sie verhindern, dass die Wurzeln der Pflanzen die Wasserbarrieren durchboren. Ist das Dach aber nur mit Kies bedeckt, sind sie nicht nötig: indem man das Dach von Zeit zu Zeit manuell von Unkraut befreit, kann man auf die Gifte im Bitumen verzichten.
Beachten Sie die Zusammensetzung der Produkte
Die Lasuren, welche als Schutz auf Chalets und anderen Holzkonstruktionen gegen Feuchtigkeit, UV-Strahlen der Sonne, gegen Insekten und Schimmel aufgetragen werden, enthalten ebenfalls zahlreiche chemische Substanzen die teilweise sehr giftig sind. Muss man solche Produkte kaufen, ist es gut zu wissen, dass jetzt auch weniger gesundheits- und umweltschädliche Produkte im Handel erhältlich sind; oft sind sie mit einem Öko-Label gekennzeichnet (Der Blaue Engel, Oecoplan etc.). Mit einem Blick auf die Etikette können die Namen der verwendeten aktiven Substanzen schnell festgestellt werden, man sieht, wie stark sie konzentriert sind und welche möglichen schädlichen Auswirkungen das Produkt auf die Umwelt hat. Es gibt auch Farben und Verputze, deren chemisch-aktive Substanzen mikroverkapselt sind: die aktiven Substanzen werden nach und nach freigesetzt, anstatt rasch vom Regen ausgewaschen zu werden.
Ohne Lösungsmittel aber mit Fungiziden...
Farbhersteller bieten auch Produkte mit weniger oder sogar sehr wenigen für die Gesundheit und die Umwelt schädlichen "organischen Lösungsmitteln" an (auch "VOC", "flüchtige organische Verbindungen" genannt). In immer mehr Farben, Lacken und Lasuren dient jetzt Wasser als Lösungsmittel, und ihre Effizienz ist, was ihre Langlebigkeit und Resistenz betrifft, durchaus vergleichbar mit den ehemals verwendeten Farben. Produkte ohne organische Lösungsmittel haben den doppelten Vorteil, dass sie nicht nur keine übelriechenden Dämpfe freisetzen, auch die Pinsel können ganz einfach mit Wasser ausgewaschen werden. Allerdings sind Farben mit wenig Lösungsmittel sehr empfindlich gegenüber Schimmelbildung, so dass die Hersteller ihnen manchmal Fungizide beifügen (das sind ebenfalls Biozide). Rein mineralische Farben ohne Lösungsmittel sind zwar teurer, aber sie sind am umweltverträglichsten, denn sie brauchen keinen zusätzlichen Schutz: sie bieten den Schimmelpilzen keine Nahrungsgrundlage, ganz im Gegensatz zu synthetischen Farben.
Möchte man ein Haus bauen, ein Gebäude neu streichen, die Fassaden oder ein Dach renovieren, so kann man die Gewässer schützen, indem man:
- Dachvorsprünge und Etagengesimse für neue Gebäude vorsieht;
- für die Aussenisolation "atmungsaktive" Wärmedämmmaterialien in Erwägung zieht (hinterlüftete Fassade, stark wasserdampfdurchlässige Putzanstriche und Isolationsmaterialien wählen);
- sich über die Giftigkeit der Materialien und Produkte informiert und Biozide dort vermeidet, wo sie nicht nötig sind;
- für ein nicht begrüntes Flachdach Bitumen-Schweissbahnen ohne Herbizide verwendet;
- sich für ein begrüntes Fachdach über die Eigenschaften der Unkrautbekämpfungsmittel in den Bitumen-Bahnen informiert, und solche wählt, welche am wenigsten Biozide freisetzen;
- rein mineralische Farben bevorzugt, wenn ihre Anwendung möglich ist;
- man das Produkt oder die Materialien für die Fassaden und das Dach entsprechend der Sonnen- bzw. Witterungsexposition wählt.